05.03.2023 - Reminiscere - "Lust auf Kirche!"

Musikalischer Gottesdienst "Lust auf Kirche!" am 05.03.2023
Bildrechte Ev.-Luth. Kirchengemeinde Berg

Musikalischer Abendgottesdienst "Lust auf Kirche!"


mit Pfarrer Johannes Habdank


um 18.30 Uhr im Katharina von Bora-Haus


Junge Berger Talente musizieren.


Nachstehend Ablauf des Gottesdienstes und Predigt zum Nachlesen.
Fotos vom Gottesdienst in der Bildergalerie.

Ablauf des Gottesdienstes am  5. März 2023

 

Ablauf Gottesdienst "Lust auf Kirche" am 05.03.2023
 

 

Kleine Predigt am  5. März 2023 von Johannes Habdank über "Entschuldigung und Vergebung" im musikalischen Gottesdienst "Lust auf Kirche!" mit Jungen Musikern aus Berg

Lesung (Lukas 18, 9-14)

9 Er sagte aber zu einigen, die überzeugt waren, fromm und gerecht zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: 10 Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. 11 Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. 12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. 13 Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! 14 Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Predigt

Mit der Religion im Gespräch zu bleiben, vielleicht sogar damit etwas anfangen zu wollen oder zu können, das Thema irgendwie als wichtig für einen selber anzusehen, das empfehlen nicht nur Kirchenleute, also Pfarrer und regelmäßige Kirchgänger oder Ehrenamtliche in der Gemeinde, sondern auch moderne, kirchenferne Philosophen wie Jürgen Habermas, Starnberg inzwischen. Es geht nämlich in der Religion darum, dass man mit ihr die Zufälle und auch unerwarteten Schicksalsschläge des Lebens besser bewältigen kann, und überhaupt mit dem Leben besser zurechtkommt. Religion als Lebensdeutung und Überlebenshilfe! Das ist ihr Sinn.

Und dazu kommt noch, dass sie für Vergebung als erstem Schritt zum Frieden zuständig sei, wenn wir uns fragen, wie wir mit Schuld umgehen, mit unserer persönlichen oder der Schuld eines ganzen Volkes, Schuld, die mit begangenen Taten zusammenhängt, gegenwärtig oder auch aus der Vergangenheit. Schuld kennt kein Verfallsdatum, weder privat noch national oder international. Sie wird oder zumindest kann einem ewig nachhängen. Vergeben oder vergessen? Vergessen klappt oft nicht. Selber kannst du nicht (oder doch?) vergessen. Das klappt ja schon in einer Privatbeziehung oft nicht. Da wird ewig hin- und her und aufgerechnet, wenn zum Beispiel eine Ehe schief geht. Kann ich vergessen? Auf das Vergessen des oder der anderen aber bist du angewiesen. Oder auf Vergebung?

Beides womöglich. Das gilt auch für sogenannte Wiedergutmachungen eines ganzen Volkes, einer Nation: kann beim Holocaust oder – ganz anderes, aktuelles Beispiel – beim vielfachen sexuellen Missbrauch durch Zahlungen von Geldsummen Vergebung erwirkt werden, wenigstens ansatzweise Wiedergutmachung? Oder im Ukraine-Krieg jemals? Ist – und das interessiert in der Passionszeit leider oft nur am Rande, die Schuldfrage am Tod Jesu: Juden oder Römer, oder im Zusammenwirken beide, oder gar Jesus selber, zu klären.

Wer muss wem wann was vergeben? Ganz schwierige Frage. Dazu vielleicht mehr am Karfreitag.

Es gibt ein sehr erhellendes Buch von Hermann Lübbe, einem der wichtigsten  Philosophen der Gegenwart, das den Titel trägt: „Ich entschuldige mich“. Er beschreibt da die Geschichte der bundesrepublikanischen öffentlichen Kultur der  Entschuldigung für vergangene Verbrechen, etwa an den Juden oder den Polen, oder den Massakern in Italien und Griechenland, Frankreich auch und an vielen Orten. Hilft da beispielsweise im Falle Polens die symbolische Geste des ehemaligen Bundeskanzlers, also Willy Brandts Kniefall in Warschau 1970, womit er sich symbolisch stellvertretend für sein deutsches Volk entschuldigt? Nur symbolisch? - „Ich entschuldige mich.“

Was ist das überhaupt für eine Redensart? Wer kann eigentlich wen entschuldigen? Man sich selber? Das gilt auch für´s Privatleben von jedem von uns. „Ich entschuldige mich!“ Geht das so einfach? Oder in Wirtschaft und Gesellschaft: Ein Konzernchef hat jahrelang Steuern hinterzogen und/oder seinen eigenen Laden beschissen, Du hast jahrelang jemanden schwarz bei Dir zu Hause als Haushaltshilfe beschäftigt – „ich entschuldige mich“? Ist es dann so einfach vorbei? Sich selbst entschuldigen? –

In der Bibel bittet der Zöllner, der jahrelang die Leute nach Strich und Faden betrogen hat: „Gott, sei mir Sünder gnädig“. Er sieht sein Fehlverhalten ein und bittet zuallererst vor einem Letzthorizont, also Gott, absolut und persönlich-vertraulich, um Verzeihung, um Gnade. Er bejaht seine Schuld, er steht dazu. Es tut ihm leid, was er getan hat und wie er war. Das ist der erste Schritt zur Vergebung. Er sagt nicht: „War schon nicht so schlimm, oder: Man muss die Dinge einfach auch mal positiv sehen!“ Oder „Der andere war´s!“ Nein: seine eigene Schuld als solche wahrnehmen und bejahen, darum geht´s, auch heute. Im Alltag können wir alle kleine Heilige sein, aber auch oftmals kleine Unheilige, zumindest Scheinheilige. Da sind wir zwar offen zueinander in Familien, Freundeskreis, Verein oder Gemeinde, da gibt´s aber auch mal eine Ausrede; Versprechen werden gegeben, die werden aber auch mal nicht eingehalten, auch wiederholt nicht. - „Ich entschuldige mich“? Menschen ohne Schuld gibt es nicht nach biblisch-christlicher Auffassung. Da kommen wir nicht darum herum. Alle sind vergebungsbedürftig, du und ich auch, warum, das weiß jeder selber am besten.

Es tut gut zu wissen, dass allein das Eingeständnis des Zöllners und seine Bitte um Vergebung genügt haben, dass Jesus sagen konnte: Der ging gerechtfertigt nach Hause. Der Zöllner musste nicht und hat nicht lange darum herumgeredet. Jesus auch nicht. Dem Zöllner ist ohne lange Umschweife Vergebung widerfahren.

Ja. Wer Gott um Vergebung bittet, dem ist Vergebung zugesagt, dem wird vergeben. Hoffentlich auch von denen, an denen man schuldig geworden ist.

Jesus sagt einmal, wir sollen ohne Ende vergeben, weil er weiß, dass das die Welt und ihre Menschen am meisten brauchen.

Vielen fällt es schwer, sich Schuld einzugestehen, aber auch anderen zu vergeben – man müsste den ersten Schritt tun, um damit überhaupt mal anzufangen. Es ist schwer, wird uns aber als Christen zugemutet. „Amen“ – und Amen bedeutet: so soll es sein.

Amen.