25.09.2022 - 15. Sonntag nach Trinitatis

Gottesdienst mit Peter Schickel (25.09.2022)
Bildrechte Ev.-Luth. KG Berg

Gottesdienst


mit Prädikant Peter Schickel

um 10 Uhr im Katharina von Bora-Haus

Nachstehend (ggf. "Weiterlesen" anklicken) die Predigt zum Nachlesen.

 

Predigt von Prädikant Peter Schickel über Galater 5, 25-6,10 am 15. Sonntag nach Trinitatis

 

Liebe Gemeinde,

im Geist leben und im Geist wandeln. Vor Gott leben, wie es ihm gefällt und zugleich wir selbst sein dürfen – wie auf einer Lustreise. Uns wandeln dürfen und anderen beim Wandeln wohlwollend zusehen. Lustwandeln sozusagen.  Spazieren gehen dürfen am Feiertag wie die Menschen in einer Kurstadt in der guten alten Zeit. Heilwasser trinken. Das wäre schön. Da fühlen wir, wie das Wasser aus der Tiefe seine Wirkung entfaltet und uns gesund macht. Mit anderen lieben Menschen beschwingt die helle Wandelhalle auf und ab spazieren im Sonntagsstaat. Ab und zu noch einen Schluck aus der Schnabeltasse trinken und uns mit Freunden unterhalten. Leichte Musik dringt an unser Ohr vom nahen Kurkonzert im Park. Das Wirken Spüren. Das Wirken des Heilwassers, wie das Wirken des Geistes. Das Wirken des Geistes Jesu. Das Wirken Jesu spüren. So oder so ähnlich stellt sich Paulus das Leben eines Christen vor, liebe Gemeinde.

Ich lese aus dem Brief des Apostels an die Galater im 5. Kapitel:

25 Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln. 26 Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht herausfordern und beneiden. 1 Brüder und Schwestern, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid. Und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. 2 Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. 3 Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. 4 Ein jeder aber prüfe sein eigenes Werk; und dann wird er seinen Ruhm bei sich selbst haben und nicht gegenüber einem andern. 5 Denn ein jeder wird seine eigene Last tragen. 6 Wer aber unterrichtet wird im Wort, der gebe dem, der ihn unterrichtet, Anteil an allen Gütern. 7 Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. 8 Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. 9 Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. 10 Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.


Liebe Gemeinde,

kennen Sie die 80 – 20 Regel? Es ist eine Regel aus der wirtschaftlichen Praxis. Praktisch für die Steigerung des Nutzens. Achtzig Prozent genügen meistens, um die Aufgabe zu erfüllen, aber in den letzten zwanzig Prozent steckt der meiste Gewinn. Ich frage mich, ob man dieses Prinzip auch auf die Moral anwenden kann. Da wäre es vielleicht eher so: 20 Prozent Unmoral verträgt eine Gesellschaft gerade noch, wenn 80 Prozent der Menschen anständig bleiben. Leider ist da nicht so einfach, denn das Eintreten für die Moral fördert automatisch die Heuchelei. Wenn man den Prozentsatz der Moralfreunde zu vergrößern versucht, dann werden auch die Heuchler mehr, denn übertriebene Moral fördert das Messen mit zweierleih Maß. Diese Heuchler predigen das Heilwasser für die Anderen, aber selbst trinken sie nur Wein. Jesus fragt seinen fleißigsten Jünger: Was meinst du, Simon? Von wem nehmen die Könige auf Erden Zoll oder Steuern: von ihren Kindern oder von den Fremden?  (Matthäus 17,25) Durch Korruption wandelt sich die Moral nämlich plötzlich in Unmoral. Das gilt vielleicht auch für meine eigene Moral ganz tief in mir drin. Vieles redet man sich selbst ja auch schön, manchmal, oder? Wer hält es aus immer vermeintlich der Dumme zu sein, der alle Regeln immer einhält? Da kann man schon mal ins Nachdenken kommen. Wie viel Moral hab ich eigentlich? Was ist mein eigener ganz persönlicher Moralkoeffizient? Wie kann ich den noch steigern? Erste, zweite, dritte Ableitung usw. rein mathematisch oder vielleicht gar nicht aus mir heraus?
Ach, Jesus hilf mir. Bitte.

Liebe Gemeinde,
bei so viel Nachdenken kann man schnell traurig werden.
Moralversessenheit wandelt sich nämlich leicht in Traurigkeit. Sie ermöglicht uns zwar das Diskutieren mit Gott und zeigt uns die Achtung vor seinen Regeln auf, den Respekt vor den Anderen und auch die Selbstachtung. Aber anstatt durch moralisches Handeln Gott automatisch nahe zu kommen, gehen wir unbewusst immer weiter weg von ihm. Paulus bringt es auf den Punkt:  Ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse. (Röm 7,15), also manchmal….

Moral allein erzeugt keine Liebe. Moral allein bringt auch keinen Glauben, was eigentlich die andere Seite der gleichen Medaille ist. Moral allein erzeugt keine Liebe - denn erst braucht es die Liebe, dann die Moral. Erst kommt die Liebe, dann die Moral. Sozusagen: Love first! Liebe zuerst!

Das ist für mich der Kern der Ethik des Apostels. Love first! Zuspruch zuerst und dann folgt der Anspruch von selbst. Nicht durch Gesetze des Mose, sondern durch die Liebe wirkt der Geist. Jesus gibt uns seinen Geist der Liebe zuerst. Durch diesen Zuspruch werden wir zu neuen Menschen. Diese neuen Menschen haben nun einen Anspruch aus sich selbst heraus, Gutes zu tun und zwar spontan – ganz von alleine. Zwanglos – automatisch – ohne nachzudenken – ohne Grübeln und Erbsenzählen. Ohne Sorgen. Einfach, weil sie neue Menschen sind, wegen Jesus.
Gott hat den Geist seines Sohnes in eure Herzen gesandt (Gal 4,6), schreibt Paulus im Galaterbrief. Das ist der Startschuss –Weil wir Geborgen in der Liebe Gottes sind, weil wir Gottes Kinder sein dürfen, deshalb können wir in seinem Geiste wandeln. Dabei haben wir keinen legalistischen Vorteil, sondern wir haben seine Liebe erfahren. In seinem Geiste leben und in seinem Geiste wandeln. Im Geiste Jesu. Im Geiste der Liebe.

Einer der – wie Paulus – dieses Prinzip am eigenen Leibe erfahren hat war Augustinus. Also, Liebe zuerst. Er war auch wie Paulus zuerst auf dem Holzweg.

Von ihm sind ein paar Ratschläge überliefert, wie man im Geist wandeln kann.
Die möchte ich Ihnen zum Schluss nicht vorenthalten:  

(Aus den Bekenntnissen des Augustinus)

Miteinander reden und lachen.
Sich gegenseitig Gefälligkeiten erweisen.
Zusammen schöne Bücher lesen. Sich necken dabei, aber auch einander sich Achtung erweisen. Mitunter sich auch Streiten ohne Hass, so wie man es wohl einmal mit sich selbst tut. Manchmal auch in den Meinungen auseinandergehen und damit die Eintracht würzen. Einander belehren und voneinander lernen. Die Abwesenden schmerzlich vermissen, die Ankommenden freudig begrüßen. Lauter Zeichen der Liebe und Gegenliebe, die aus dem Herzen kommen, sich äußern in Miene, Wort und tausend freundlichen Gesten und wie Zündstoff den Geist in Gemeinsamkeit entflammen, so dass aus den vielen eine Einheit wird.

So sei es.

Love first.

Dein Leben spendender Geist wirkt viel besser als jedes Heilwasser, denn durch ihn sorgst Du für uns.

Danke, Dir, Jesus.

Gern, geschehen.

Amen.