05.12.2021 - 2. Advent

Gottesdienst

um 10 Uhr im Katharina von Bora-Haus

 
mit Lektor Peter Schickel

 

Nachstehend der Gottesdienst im (Livestream-)Video zum Nachempfinden und - im Anschluss daran - die Predigt zum Nachlesen.

Livestream-Video vom Gottesdienst

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Predigt von Lektor Peter Schickel am 2. Adventssonntag 2021


Lied EG 7, 1-3, O Heiland, reiß die Himmel auf

Predigtgebet:

Herr, gib mir Deinen Geist, dass ich nicht sterbe, sondern lebe und Deine Werke verkündige.

Amen.

Predigt über Jesaia 63,15-64,3

Soli deo gloria.


Liebe Gemeinde,

Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist schwarz. Was ist das? …. Die Kamera heute, automatisch. Ja. Gut. ….

Haben Sie das auch schon mit ihren Kindern gespielt. Bei langen Autofahrten nach Italien. (Damals als man noch reisen durfte.) Meistens sieht der vorne auf dem Fahrersitz im Auto sogar mehr als die hinten auf dem Rücksitz und das ist auch gut so. Er darf aber nicht mitmachen. Er soll sich auf das Verkehrsgeschehen konzentrieren. „Du, mischt Dich nicht ein. Pass lieber auf die Straße auf.“ Tönt es vom Beifahrersitz. Aber unwillkürlich rät der Fahrer doch mit beim Spiel „ich seh was, was Du nicht siehst“. Mann das ist doch sonnenklar, denkt er sich. So einfach. So offensichtlich und warum raten die da so lange rum. Das ist doch klar. Mann o Mann, offensichtlich, o Heiland reiß die Himmel auf…

Offensichtlich. Offene Sicht. Einfach.
Der Türmer hats gut. Er hat eine offene Sicht, der Türmer. So nannte man früher einen Wächter auf einem Stadtturm. Er sieht weit, bis zu den Bergen, von denen Hilfe kommt. Das Wort Prophet läßt sich von Türmer ableiten – der, der auf dem Turm steht. Er hat einen erhabenen Standpunkt, der Türmer wie der Prophet. Er steht hoch über der Stadt. Er steht heraus. Und er sieht ins Weite. Vielleicht hat er sogar einen Elfenbeinturm. Er sieht nicht nur ob jemand bald zum Kaffee kommt und Geschenke mitbringt. Er sieht auch das feindliche Heer anrücken – als erster. Heute gibt es sogar noch höhere Aussichtspunkte, z. B. von den Windrädern bei uns in der Gemeinde. Ich hab ihnen ein Bild draußen hingelegt. Es ist wunderbar was man von dort alles sieht – den See, die Häuser, das Starnberger Finanzamt – von denen wird man sowieso auch überall gesehen.

Aber man sieht nicht nur ins weite, man sieht auch ins Nahe. Heutzutage fliegt man mit Kameras nach oben und kann sich ganz genau anschauen, was da auf uns zu kommt. Blitzeinschläge zum Beispiel. Blitzschlag aus dem Himmel. Und wenn man etwas gefunden hat, dann kann man es extrapolieren, mit künstlicher Intelligenz hochrechnen. Unmenschlich genau.

Wissenschaftlich exakt. Man kann dann Fragen beantworten wie “Was kann ich tun? Wann wird es gefährlich werden? Wann muss ich spätestens etwas tun?“ Sonst! Sonst wird es immer schlimmer – und bleibt so auf lange Zeit. Und man kann die anderen aufrütteln, damit es noch mehr sehen – das Offensichtliche. Ein solcher Warner, aber auch Prophet der Hoffnung war Jesaia. Er sah mehr als andere in seinem Volk Israel. Aber er hatte nichts von seiner Weitsicht. Er hatte es nicht gut. Er war verzweifelt.

Er hatte vorausgesehen, dass Jerusalem zerstört werden würde. Dass das ganze Volk Israel von Babylon ins Exil vertrieben werden würde. Aber auch, dass das Heer der Perser wiederum Babylon besiegen würde und den Israeliten Ihr Land und Jerusalem zurückgeben würde. Das alles hatte ihm Gott erzählt. ER hatte ihm selbst gesagt, dass ER eingreifen würde. Und jetzt nach dem Exil, wieder zurück in Jerusalem hatten die Menschen immer noch nichts dazu gelernt. Im Gegenteil. Es waren ja immer noch weitere Propheten da, die das glatte Gegenteil behaupteten. Sozusagen Berufspropheten. Sie hatten das Ohr des Königs und der Bevölkerung und wurden extra bezahlt. Man munkelte sie waren ganz wesentlich für viele falsche Entscheidungen der Menschen damals. Das Ergebnis war, die Menschen waren verunsichert und rückten immer mehr von Gott ab. Sie waren unzufrieden.

„So toll ist es jetzt hier auch wieder nicht in der Freiheit. Da hätte er uns ja gleich in der Gefangenschaft lassen können – unser Gott. In Babylon hatten wir wenigstens zu essen. Und schöne Götter hatten die da in Babylon. Viel prächtiger als unser „Ich bin da“. Er hat ja noch nicht einmal einen richtigen Namen. Wer sagt uns dass das alles stimmt, was die uns erzählen von ihm. Gütig soll er sein und herzlich barmherzig. Allmächtig. Ein Retter. Ein Erlöser. Wir sind doch jetzt frei. Den brauch ich doch gar nicht mehr. Ich mach jetzt mein eigenes Ding. Ohne Rücksicht auf die Anderen. Ich hab’s ja selbst schwer genug in diesen Zeiten.

Was kümmern mich die anderen? Bin ich für meinen Bruder verantwortlich? Und überhaupt, es wird ja alles übertrieben, da kann ich mir auch mal selbst was gegen den Strich genehmigen. Ich will ja gar nicht mehr zu denen gehören. Die checkens ja sowieso nicht, aber ich kenn mich aus!“

Das war die Stimmung im Land. In dieser Stimmung spricht Jesaia mit Gott und fleht um Hilfe. Hilfe vom Herrn über Leben und Tod. Hilfe nicht für sich, sondern für die anderen.

Dass sie endlich das für ihn Offensichtliche sehen. Denn Gott wird Hilfe geben. Sie sollten die Hilfe nur zulassen und die Hilfe, wenn sie angeboten wird, annehmen. Er wird nicht nachtragend sein. Jesaia wünscht sich so sehr, dass Gott sie nicht ins Verderben laufen läßt. Gott wird sich schon was einfallen lassen. Mehr als er sich jetzt selbst ausmalen kann. Er wird ihnen irgendwie den Weg zeigen. Den Weg zu ihm.

Er wünscht sich sogar, dass Gott das vermeintlich Offensichtliche so übertreiben möge, dass es wirklich alle mitkriegen. Denn er ist gewiss, dass Gott denen wohltuen wird, die zu ihm halten, die zu ihm gehören. Übertrieben gut wird es sein, was Gott für sie tun wird, wenn er handelt. Für alle wird die Hilfe kommen. Übertrieben gut wird sie sein. Unverdient gut.

Und Jesaia hadert mit Gott:

Predigtwort aus Jesaia 63,15-64,3

15 So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun dein Eifer und deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich. 16 Bist du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennt uns nicht. Du, HERR, bist unser Vater; »Unser Erlöser«, das ist von alters her dein Name. 17 Warum lässt du uns, HERR, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten? Kehr zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbe sind! 18 Kurze Zeit haben sie dein heiliges Volk vertrieben, unsre Widersacher haben dein Heiligtum zertreten. 19 Wir sind geworden wie solche, über die du niemals herrschtest, wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde. Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen, 1 wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht, dass dein Name kundwürde unter deinen Feinden und die Völker vor dir zittern müssten, 2 wenn du Furchtbares tust, das wir nicht erwarten, und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen! 3 Auch hat man es von alters her nicht vernommen. Kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren.

Was für eine Klage. Eine ziemlich unverschämte Klage sogar, gegen Gott, der sein Versprechen nicht einzuhalten scheint. Der junge Liederdichter Friedrich Spee war Jesuit in Mainz. Er hat die Klage von Jesaia für uns vertont. O Heiland reiß die Himmel auf. Das war kurz vor dem Ende seines Theologiestudiums 1622. Zusammen mit den alten Worten Jesaias erzeugt sein Lied für mich den Klangraum von Advent.

Sein Lied bringt für mich im Advent die Hoffnung auf Gottes Eingreifen hervor. Es ist ein Vertrauen, das Jesaia nur auf Gott setzt. Denn Jesaia wird nicht müde seinen Landsleuten zu sagen, dass Gott uns wohltuen wird - immer wieder.

Ich lade Sie ein diesen Klangraum des Advents mit mir zu betreten. Hier und jetzt. Lassen Sie die Worte auf sich wirken. Es sind Worte der Hoffnung. Vielleicht wecken sie die adventliche Sehnsucht bei Ihnen selbst zu sehen und gleichzeitig von IHM gesehen zu werden.

Kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren.

Er wird wohltuen. Er wird wohl tun! Er wird tun. Er tut. Ganz gewiss. Er hat es versprochen. Er tut. Und was er tut, das tut er wohl. Übertrieben wohl. Übertrieben Gut. Unverdient gut.


O Heiland, reiß die Himmel auf – tu uns wohl - jetzt…. [Gesang.]

EG 7,1 O Heiland reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloß und Riegel für.


((Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen,… Jesaia 64,1))

Er hat mir gesagt, dass es einen neuen Sproß aus dem abgehauenen Baumstumpf sprießen lassen wird und dieser Zweig wird Frucht bringen. (Jesaia 11,1)

Das muss der neue gerechte König sein. Unser Retter wird kommen. Der Himmel soll die Erde mit Wasser befruchten. Weiches Wasser bricht den Stein. Gegengewalt und aggressive Macht können nicht erlösen, nur zerstören.

EG 7,2 O Gott, ein Tau vom Himmel gieß, im Tau herab, o Heiland fließ. Ihr Wolken, brecht und regnet aus den König über Jakobs Haus.

(8 Träufelt, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken, regnet Gerechtigkeit! Die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtigkeit wachse mit auf! Ich, der HERR, erschaffe es. (Jesaia 45,8) )

Das Leben wächst klein, unscheinbar, sanft, aber unaufhaltsam, zäh und kraftvoll aus der Erde empor. Das hilflose Kind rettet. Mitten in der seelischen Trümmerlandschaft von Einsamkeit und Verzweiflung brechen sich neue Kräfte Bahn, die am Ende stärker sein werden als die Kräfte des Todes.

EG 7,3 O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd, daß Berg und Tal grün alles werd. O Erd, herfür dies Blümlein bring, o Heiland, aus der Erden spring.

(1 Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. (Jesaia 11,1))

Liebe Gemeinde,

seit der Zeit Jesaias vor 2600 Jahren ist viel passiert auf der Welt. Aber die Botschaft des Propheten aus grauer Vorzeit und die des Liederdichters Spee ist noch immer gültig.

Es gibt einiges, dem wir anscheinend machtlos gegenüber stehen. Was kann einer allein dem Unrecht, dem Egoismus und der Gottlosigkeit schon entgegen setzten. Und doch! Lieber Gott, Du kannst helfen. Mit Dir zusammen wird es gelingen. Du bist groß. Du bist gewaltig. Du kannst den Menschen ins Herz schauen und vielleicht still und leise ein Wunder geschehen lassen.

Wenn ich daran denke, dann spüre ich manchmal den Trost – den Trost der ganzen Welt aus der vierten Strophe unseres Liedes von Friedrich Spee. Denn die Welt ist nicht allein. Sie hat doch einen großen Gott. Er hat schon so vieles zu Wege gebracht. Er hat so viel verändert. Er hat uns versprochen zu helfen. Wir dürfen ihm vertrauen. Wir dürfen auf ihn hoffen. Und wenn er kommt, dann kommt er mit dem Lachen eines Kindes.


Liebe Gemeinde,

lassen Sie uns auf das kleine Kind in der Krippe hoffen aus dem der große Christus wird, der zusammen mit seinem Vater uns errettet hat. Komme was da wolle.

Aber zuvor komm doch endlich zu uns, Herr Jesus und lass es Weihnachten werden.

Amen, komm, Herr Jesus! Die Gnade des Herrn sei mit allen! (Off 22,20b-21)

Amen.