20.01.2023 - Seelsorge-Kolumne in der tz

 
Der tägliche tz-Ratgeber
heute: Glaubensfragen


Darum klammern wir uns an Gottesbilder

 

Du sollst dir kein Bildnis machen! Das ist ein biblisches Gebot. Was bedeutet es heute in einer Welt, die voller Bilder ist, die oft mehr sagen, aber auch suggerieren als viele Worte? Pfarrer Habdank geht der Frage nach der ursprünglichen Bedeutung des Bilderverbots und seinem Sinn für heute in unseren Beziehungen nach.


Gedanken von Pfarrer Johannes Habdank
 

Das biblische dritte Gebot lautet „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht“ (2. Mose 20). Manche christliche Konfessionen und andere Religionen nehmen das sehr ernst. Wer im Urlaub in eine streng reformiert-evangelische Kirche in der Schweiz geht, findet höchstens mal das Kreuz als christliches Symbol, alles gestalterisch ganz nackt. Demgegenüber „wimmelt“ es geradezu in katholischen Barock- und Rokokokirchen vor Heiligenbildern und Symbolen... Islamische Moscheen sind zwar voller kunstvoller Muster: aber ohne Menschen- oder Gottesdarstellungen. Sinn des biblischen Bilderverbots ist, dass der Mensch eine Neigung dazu hat, alle möglichen und unmöglichen Bilder von Gott zu entwerfen, weil er ihn sich eben gerne vorstellt. Das ist aber zu menschlich, der übermenschlichen Absolutheit Gottes unangemessen. Der Mensch klammert sich an die Gottesbilder, verehrt sie. Er verwechselt seine Vorstellung von Gott mit Gott selbst, verehrt die Bilder, anstatt an den unsichtbaren Gott selbst zu glauben, will sich seiner im Bilde habhaft machen.Das gilt als „Abgötterei“, „Tanz ums goldene Kalb“, wo das Volk Israel das von ihm geschaffene Stier-Götterbild verehrt, statt an den unsichtbaren Gott zu glauben, bilderlos.

Zwei Schriftsteller haben dieses Thema umgedeutet auf zwischenmenschliche Beziehungen – spannend! Max Frisch sagt, es sei ein mangelnder Ausdruck von Liebe, wenn man sich ein festes Bild vom anderen macht.Man liebe ihn dann nicht so, wie er sei und sich frei entwickle. Echte Liebe darf den anderen nicht in ein festes Bild von ihm fassen, sondern soll seinen Entwicklungen freien Raum geben. „Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden; weil wir sie lieben, solang wir sie lieben.“ Also offen bleiben füreinander, kein festes Bild machen!

Von Bert Brecht ist eine eher skeptische „Geschichte von Herrn Keuner“ überliefert, und die geht so: „Was tun Sie“, wurde Herr K. gefragt, „wenn Sie einen Menschen lieben?“ „Ich mache einen Entwurf von ihm“, sagte Herr K., „und sorge, dass er ihm  ähnlich wird.“ „Wer? Der Entwurf?“ „Nein“, sagte Herr K., „der Mensch“.

DER TÄGLICHE tz-RATGEBER heute: Glaubensfragen (Münchner Merkur/tz, 20.01.2023)