17.03.2023 - Seelsorge-Kolumne in der tz

 
Der tägliche tz-Ratgeber
heute: Glaubensfragen


Die Legende vom vierten König

 

Eine Legende erzählt, dass auch ein vierter König zur Anbetung des Christuskindes aufgebrochen sei, aber erst zur Kreuzigung ankam. Die Legende, von Edzard Schaper übersetzt, passt in die Passionszeit, in der im Christentum des Leidenswegs Jesu gedacht wird.


Gedanken von Pfarrer Johannes Habdank

 

 
 

Die Legende vom vierten König geht so: Der König eines kleinen Reiches aus dem Osten hat auch den Stern von Bethlehem gesehen und macht sich mit wertvollen Geschenken auf, um dem neugeborenen Heiland der Welt zu huldigen. Unterwegs trifft er auf die drei Könige, verliert aber plötzlich den Anschluss und muss allein seiner Wege weiterziehen. Unterwegs begegnet er auf wechselreichen Pfaden vielen Menschen, denen er aus ihrer Not hilft: einer Flüchtlingsfamilie mit neugeborenem Kind, die nicht weiß, wie sie überleben soll, gibt der König einen Teil seiner Schätze, ursprünglich für den Heiland gedacht. Ein paar Strafgefangene kauft er aus dem Gefängnis frei - und wird danach genau von denen überfallen, brutal niedergeschlagen und  total ausgeraubt. Er findet Aufnahme bei einem reichen Mann und kommt wieder zu Kräften. Es zieht den König wieder in die Ferne. Eigentlich hat er nichts mehr zu verlieren als sein Leben. Da setzt er sich, an einem Hafen angekommen, ganz selbstlos ein für einen Gefangenen der Galeere eines großen Schiffs. Für einen, den er gar nicht kennt, wird er selbst Sklave!

Nach 30 Jahren, geschunden und gebeugt, wird er entlassen in einem fremden Land. Vom Hafen zieht er mit letzten Kräften zu einer heiligen Bergstadt und gerät dort in großes Getümmel. Viele Menschen laufen klagend hinter einem her, der ans Kreuz gehen muss. Unterm Kreuz erkennt der König seinen Heiland: „Göttlicher König, schmerzlich erwarteter, ein Leben lang herbei gesehnter, hier bin ich, gabenlos, gebrochen, wie du, ein Bruder im Elend. Nimm das Wenige, das ich besitze: meinen geschundenen Leib, den gebeugten Rücken, meine Armut, meine Sehnsucht, meine Schwäche, die meine Größe, und meine Größe, die meine Schwäche war. Welch ein Tag, an dem sich der Himmel für immer dieser finsteren Welt vermählt hat!“ Er stirbt selig unterm Kreuz.

Der Gekreuzigte und der vierte König sind seelenverwandt. Der König hat seit seinem Aufbruch aus seinem kleinen Reich nichts anderes getan, als das, was sein gesuchter und erst am Kreuz gefundener Heiland wollte, gepredigt und getan hat, obwohl er ihn gar nicht kannte. So geht es auch heute vielen Kirchenchristen in aller Welt, aber auch vielen sogenannten anonymen Christen, die ohne großen Christus- oder Kirchenglauben genau das tun, was im Sinne des Christentums und im Geiste Jesu ist. Sind wird das auch: Seelenverwandte Jesu?  

DER TÄGLICHE tz-RATGEBER heute: Glaubensfragen (Münchner Merkur/tz, 17.03.2023)