06.09.2020 - 13. Sonntag nach Trinitatis - Lust auf Kirche!

Pfarrer i.R. Dr. Gerhard Pfister
Bildrechte Evang.-Luth. Kirchengemeinde Berg

Der Berg der Bergpredigt

Musikalischer Gottesdienst "Lust auf Kirche!" im Katharina von Bora-Haus mit

Pfarrer i.R. Dr. Gerhard Pfister, Starnberg, und Florian Schad, Berg, Violoncello

zum Abschluss der Sommer-Predigtreihe 2020 "Berg-Geschichten"

 

Nachstehend der Gottesdienstablauf mit der Predigt zum Nachempfinden und Nachlesen.

 

Ablauf des Gottesdienstes am 06.09.2020 mit Predigt

 

Abkündigungen vorab

Glockengeläut

Musik: Prélude aus der Suite Nr. 1 für Violoncello solo von Joh. Seb. Bach

Gruß und Eröffnung

Lied: „Weil der Himmel bei uns wohnt“

Bergbesinnung (frei nach Psalm 121 und  W.  Hoffsümmer)

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, so heißt es schon in der Bibel im 121. Psalm

Wenn ich meine Augen aufhebe zu den Bergen, sieht der Gipfel eines Berges oft unnahbar aus. Wer ihn besteigt, dem kann er zum Freund werden. Wer in den bann seiner Größe und Majestät gerät, kehrt immer wieder zu ihm zurück.

So ist das auch mit Gott: Er ist unnahbar, manchmal unheimlich, und kann doch unser Freund werden.

Der Berg schweigt, er drängt sich nicht auf. Du brauchst ihn nicht zu beachten. Wer sich aber auf ihn einlässt, kann unendlich viel erfahren.

So ist das auch mit Gott: Er zwingt uns nicht, wir können ihn wie Luft behandeln. Aber wer ihm wirklich begegnet, der beginnt, seine Höhen und Tiefen auszuloten.

Nebel und Regen hüllen den Berg ein, dann wieder streichelt ihn die Sonne und lässt seine Farben aufleuchten.

So ist das auch mit Gott: Wir sehen ihn nicht, Schicksalsschläge vernebeln ihn. Dann wieder weichen die „Wolken“ und wir spüren seine belebende Nähe.

Der Berg verlangt keine Gegenleistungen für den Anblick seiner majestätischen Größe. Er schenkt sich ganz einfach. Alles an ihm ist Hingabe.

So ist  das auch mit Gott: In seinem Sohn Jesus Christus wird es überdeutlich: Gott liebt uns, auch wenn wir ihn nicht lieben. Das Leben Jesu war einzig Hingabe.

Der Beter des121. Psalms sagt: Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

Martin Luther hat den Anfang dieses Psalms so übersetzt: Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von denen mir Hilfe kommt.

So stand es jahrhundertelang in der Lutherbibel und so haben es die Älteren unter uns im Konfirmandenunterricht auswendig gelernt. Aber es ist ein Fehler, der erst von der Bibelrevision am Ende des 20. Jahrhunderts korrigiert wurde.

Denn den Psalmbeter, der zu den Bergen aufschaut, bewegt es als Frage: Woher kommt mir Hilfe?

Und seine Antwort, eine Hoffnung und erlebte Erfahrung, lautet: Meine Hilfe kommt von Gott. Also nicht von den Bergen! Die Berge sind nur ein starker Hinweis auf Gott den Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

Musik: Sarabande aus der Suite Nr. 1 für Violoncello solo von Joh. Seb. Bach

Lesung aus der Bergpredigt

Musik: Menuett 1 aus der Suite Nr. 1 für Violoncello solo von Joh. Seb. Bach

Auf den Spuren der Bergpredigt (Predigt)

Predigt über Matthäus 5,1-12.43-45 (Der Berg der Bergpredigt)

Liebe Gemeinde, der Kalender, den ich heute mitgebracht habe, hängt in diesem Jahr 2020 bei uns zuhause an der Wand. Im Monat April hat er uns das Bild gezeigt, das ich Ihnen jetzt vorstelle: die Kirche der Seligpreisungen auf dem Berg der Bergpredigt. Wer schon einmal in Israel war, und das sind ja nicht wenige unter uns, ist wahrscheinlich auch hier gewesen.  Und wer mit einer sachkundigen Führung diesen Berg besucht hat, der eher ein lieblicher Hügel als ein schroffer Berg ist, man muss keine schwindelnden Höhen erklimmen, sondern kann mit dem Bus hinauffahren, der hat von der sachkundigen, bibelkundigen Führung wohl auch gehört, dass man sich das nicht so vorstellen soll, dass Jesus diese überdimensional lange Bergpredigt (110 Verse, von denen es jeder einzelne in sich hat, sind es im Mt.) an einem einzigen Tag gehalten hat. Sondern die Bergpredigt ist, wie auch die Bibelkenner wissen, die nie in Israel waren,  eine Sammlung von Jesusworten, die er bei vielen unterschiedlichen Gelegenheiten gesprochen hat, und die die Evangelisten zu großen Redekomplexen zusammengestellt haben. Man kann das sehr genau nachvollziehen, wenn man die Evangelien miteinander vergleicht. Der Evangelist Lukas stellt die Worte Jesu zu einer Rede auf dem freien Feld zusammen, der Evangelist Matthäus weitgehend dieselben Jesusworte und noch manche weitere zur Bergpredigt. Und für die vom Evangelisten Matthäus  zusammengestellte Rede aus einer Fülle verschiedener Jesusworte, hat der Berg hier in der Tat seine ganz besondere Bedeutung,  Es ist bestimmt nicht irgendein Berg am Ufer des Sees Genezareth, so dass man sagen könnte, er steht eben auch gleichzeitig für einige benachbarte Berge und Hügel, auf denen Jesus bei mehreren Gelegenheiten diese bedeutsamen Worte gesprochen hat. Es ist nicht irgendeiner oder eine Mehrzahl von Bergen, es ist der Berg schlechthin. So steht es auch in der Bibel: Jesus stieg auf den Berg. Wer vorhin bei der Lesung aufmerksam zugehört hat, wird jetzt sicher widersprechen:  Es hieß doch nur: Jesus stieg auf einen Berg. Das ist richtig. Und wenn Heinz Rühmann nicht aus der Lutherübersetzung, sondern aus der Einheitsübersetzung oder einer anderen deutschsprachigen Bibelübersetzung vorgelesen hätte, immer hätten wir gehört: Jesus stieg auf einen Berg.  Aber das ist ungenau. Im griechischen Urtext heißt es ganz klar: Jesus stieg auf den Berg. Für damaligen ersten Leser und Hörer des Evangeliums war wohl leicht zu erahnen, um welchen Berg es sich handelt, für uns ist es eher geheimnisvoll. Aber wir könnten dem Geheimnis auf die Spur kommen, wenn wir uns ansehen, wie Matthäus in seinem Evangelium immer wieder Parallelen zwischen Jesus und Moses feststellt. Das beginnt schon gleich am Anfang in der Weihnachtsgeschichte, wo uns bei Matthäus nicht wie in der uns viel besser vertrauten Weihnachtsgeschichte des Lukas der Stall von Bethlehem mit dem Kind in der Krippe und den Hirten, die der Engel herbeiruft, begegnet, sondern der Kindermord von Bethlehem und die Flucht nach Ägypten. Und es setzt sich im ganzen Evangelium fort, wobei die Bergpredigt den Höhepunkt bildet. Jesus ist der neue Moses, der größere und endgültige Moses.

Gott hat Moses auf dem Berg, der im alten Testament Sinai oder Horeb oder einfach Gottesberg heißt, seine Liebe zu den Menschen, die liebende Zuwendung zu seinem Volk zugesagt („Bund“). Und Mose hat das seinem Volk dort am Berg weitergegeben einschließlich der Lebensregeln für ein erfülltes Leben in der Beziehung mit Gott, der 10 Gebote.

Damit löst sich wohl das Rätsel um den Berg der Bergpredigt. Es ist der Gottesberg, der Ort, wo Gott in einmalig besonderer Weise den Menschen begegnet, der alte und für Matthäus entsprechend der Beziehung zwischen Jesus und Mose zugleich der völlig neue, absolute und endgültige Gottesberg.  Darum ist es überflüssig, den Berg Gottes und Berg der Bergpredigt irgendwo in der Geographie des heiligen Landes zu suchen, schon gar nicht auf der Sinaihalbinsel, wo Jesus nie war, was natürlich auch der Evangelist Matthäus weiß.

Der Berg der Bergpredigt ist der Gottesberg, weil Gott durch Jesus Christus und seine Liebeserklärung  an uns, eben die Bergpredigt, uns Menschen  in einmalig besonderer Weise begegnet.  Jesus eröffnet uns ein Leben in der Beziehung zu Gott, ein wirklich glückliches Leben, mit Glück gesegnet aus der Liebe Gottes. Das sagt er uns zu. Dass das so ist, bestätigt er uns in der Bergpredigt. Deshalb beginnt die Bergpredigt nicht mit Geboten, sondern mit Tatsachenfeststellungen, nämlich mit den Glückseligpreisungen. die wir gehört haben: Ihr seid Gottes Kinder, deshalb seid ihr glücklich/selig  zu preisen. Deshalb habt ihr ein

glückliches Leben, deshalb habt ihr die Freiheit und die Kraft, auch das zu tun, was ihr aus euch selbst heraus nicht schafft: auf Gewaltanwendung zu verzichten, denn die Gewaltlosen, Luther übersetzt „die Sanftmütigen“ werden das Erdreich besitzen, diese Erde, diese Welt, nicht erst ein fernes Jenseits, auf das man uns vorläufig vertrösten muss. Wir werden von Jesus glücklich gepriesen, glückselig genannt, weil wir als Kinder Gottes von seiner Freiheit Gebrauch machen dürfen, auch dann, wenn es gar nicht nach Glück und Seligkeit aussieht: Glücklich, selig sind, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. Denn nur das ist ein wirklich und nachhaltig glückliches Leben, das das Leid und die Trauer nicht wegschieben und verdrängen muss, sondern ins Lebensglück einbeziehen kann. Glücklich sind, die Leid tragen, weil das Glück des Lebens mit Gott auch das Leid und die Trauer integriert. Leid und Trauer können das Glück nicht beschädigen. Wie gesagt, die Bergpredigt stellt Tatsachen fest: Ihr, die ihr zu mir gekommen seid und mir zuhört, seid glückliche Menschen. Gott liebt euch als seine Kinder, seine Liebe trägt und erfüllt euer Leben. Deshalb seid ihr glücklich, glückselig  zu preisen. An euch liegt es nur, von diesem Glück, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen. Wie das aussehen könnte, beschreibt die Bergpredigt in immer wieder neuen Ansätzen. Wer das als einen Katalog von Geboten und Forderungen versteht, wird an der Bergpredigt scheitern und alles andere als glücklich damit werden. Erfüllen können wir sie nur und insoweit, als wir uns von dem, der in der Bergpredigt zu uns spricht und durch den Gott unmittelbar zu uns spricht, ermächtigen lassen, von unserer gottgeschenkten Freiheit Gebrauch zu machen und das Glück eines Lebens in der Beziehung mit Gott zu erfahren.

Darüber hinaus bleibt natürlich bemerkenswert, dass die Bergpredigt auch ohne den christlichen Glaubensbezug von bedeutenden Geistern in aller Welt als Lebensweisheit und Lebensanweisung hoch geschätzt wird, weit über den christlichen Einflussbereich hinaus, etwa in Indien bei Mahatma Gandhi und seinen Nachfolgern. Ja, manche kommen aus rein wissenschaftlichen Vernunftüberlegungen zu dieser Einstellung: die Bergpredigt muss allgemein gültig sein, auch als politische Handlungsanweisung, denn das ist der klarste vernünftig einleuchtende Weg zum Überleben der Menschheit.  Der Atomphysiker und Friedensforscher Carl Friedrich von Weizsäcker (bis zu seinem Tod 2003 unser Gemeindeglied) bezieht  das sogar ausdrücklich auf das Gebot der Feindesliebe: „Die Meinung, das so genannte Gleichgewicht des Schreckens könne den Weltfrieden sichern, ist illusionär. Weder ist der Weltkrieg jetzt unmöglich noch machen wir hinreichende Fortschritte zu einem Zustand, in dem er unmöglich sein wird. Wir haben eine sehr schwierige und radikale Änderung des weltpolitischen Gefüges als unausweichliche Aufgabe vor uns… (Und:) Bei allen politischen Entwürfen zur Sicherung des Weltfriedens muss uns offenkundig sein, dass es keinen Ersatz für die Feindesliebe gibt.  Wenn einige von uns der Feindesliebe fähig sind, so garantiert das nicht, dass der Friede erhalten bleibt – die Lösung der Krise ist jenseits unserer Macht. Wenn aber niemand in unserer Welt sich zur Feindesliebe fähig erweist, so ist die Katastrophe dieser Welt gewiss.“

Amen

Musik: Menuett 2 aus der Suite Nr. 1 für Violoncello solo von Joh. Seb. Bach

Luthers Abendsegen / Gebet

Vaterunser

Lied: „Hört, wen Jesus glücklich preist“

Segen

Musik: Gigue aus der Suite Nr. 1 für Violoncello solo von Joh. Seb. Bach