28.07.2023 - Seelsorge-Kolumne in der tz

Der tägliche tz-Ratgeber
heute: Glaubensfragen


Purzelbäume für den lieben Gott?

 

Wo ist Gott? Ist er da oder dort? Oder kommt er erst noch? Eine Geschichte mit Bildern für Kinder und alle Junggebliebenen erzählt vom Warten auf Gott. Pfarrer Habdank geht der Frage nach, wo Gott im Leben eigentlich ist. Eine liebenswürdige Kindergeschichte, die es in sich hat, auch für Erwachsene ...

Von Pfarrer Johannes Habdank.

 


Die Geschichte trägt den Titel „Purzelbäume für den lieben Gott“. In der Tierwelt hat sich herumgesprochen, dass bald Gott selbst auf die Erde zu Besuch kommt. Jedes Tier überlegt sich, wie es Gott durch gefälliges Auftreten, besondere Verhaltensweisen oder Kunststücke beeindrucken kann, um vor ihm profiliert dazustehen, wenn er dann kommt. Nur die weise Eule macht nicht mit, hält sich zurück und beobachtet die anderen. Die wiederum wundern sich über sie. Bei allem Vorbereitungsstress, den sich die Tiere machen, merken sie allmählich aber doch, dass irgendetwas nicht stimmen kann, weil Gott anscheinend auf sich warten lässt. Es dauert. Oder kommt er vielleicht gar nicht? Alles nur Fake? Da fragen sie die weise Eule, die trotz ihrer seltsamen Zurückhaltung immer noch in hohem Ansehen steht. Und tatsächlich, sie weiß, warum Gott nicht kommt: „Er ist doch immer schon da! Um uns, mitten unter uns und in uns.“

Ist das so? Auch heute für Sie persönlich erlebbar? Wann und wo? Allein oder in Gemeinschaft mit anderen? Beim Waldspaziergang oder beim Sonnenuntergang? Bei einer schönen Feier, in einer guten Beziehung, im beruflichen Erfolg, einem guten Leben? Wie ist er „da“: offenkundig oder eher verdeckt?

Was sagen wir zu den Krisen, dem Negativen im Leben, das einem nicht nur aus der großen weiten Welt permanent vermittelt wird, sondern leider auch in unseren eigenen Lebenswelten zu erleben ist, selbst mit verschuldet oder schicksalhaft widerfahren? Martin Luther sieht hinter der grundsätzlichen Ambivalenz unseres menschlichen Lebens die Doppelgesichtigkeit Gottes selbst: Gott hat eine uns zugewandte und eine uns abgewandte, fremde und unverständliche Seite. Und unsere Rechnung: Im positiven Leben und Erleben ist uns Gott zugewandt und liebt uns, im negativen nicht – diese Rechnung geht nicht immer auf. Denn zu viel Erfolg und zu viel Positives kann zu Überheblichkeit und ins Verderben führen – so wie auch umgekehrt Leid und Negatives hintergründige Begleitung von höherer Warte erfahrbar werden lassen kann, Leid – ohne es schön zu reden – kann mit Gottes Hilfe durchgestanden werden. Stimmt also, was die Eule meint: „Er ist doch immer schon da? Um uns, mitten unter uns und in uns?“ Oder ist das nur altkluges Geschwätz? Purzelbäume für den lieben Gott von F. Hübner mit Bildern von A. Glökler und R.G. Zielinski ist 2020 im Herder Verlag erschienen. 

DER TÄGLICHE tz-RATGEBER heute: Glaubensfragen (Merkur/tz 28.07.2023)