Gottesdienst mit adventlicher Flötenmusik
am 15.12.2024 um 10:00 Uhr
im Katharina von Bora-Haus, Berg
mit Prädikant Peter Schickel und dem Flötenensemble Harz, an der Orgel Katrin Dumann
Fotos in der Bildergalerie.
Nachstehend die Predigt zum Nachlesen.
Predigt von Prädikant Peter Schickel am 15.12.2024 (3. Advent)
Predigttext: Römer 15, 4-13
4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. 5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht, 6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. 7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre. 8 Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; 9 die Heiden aber sollen Gott die Ehre geben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: "Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen." 10 Und wiederum heißt es: "Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!" 11 Und wiederum: "Lobet den Herrn, alle Heiden, und preisen sollen ihn alle Völker!" 12 Und wiederum spricht Jesaja: "Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen." 13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Predigt:
Liebe Gemeinde,
am 17. Dezember 1943 schrieb Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis.
„Liebe Eltern! Es bleibt wohl nichts übrig, als Euch für alle Fälle schon einen Weihnachtsbrief zu schreiben. Ich brauche Euch nicht zu sagen, wie groß meine Sehnsucht nach Freiheit und nach Euch allen ist. Aber Ihr habt uns durch Jahrzehnte hindurch so unvergleichlich schöne Weihnachten bereitet, dass die dankbare Erinnerung daran stark genug ist, um auch ein dunkleres Weihnacht zu überstrahlen. In solchen Zeiten erweist es sich eigentlich erst, was es bedeutet, eine Vergangenheit und ein inneres Erbe zu besitzen, das von dem Wandel der Zeiten und Zufällen unabhängig ist. Das Bewusstsein, von einer geistigen Überlieferung, die durch die Jahrhunderte reicht, getragen zu sein, gibt einem allen vorübergehenden Bedrängnissen gegenüber das sichere Gefühl der Geborgenheit.
Vom Christlichen her gesehen kann ein Weihnachten in der Gefängniszelle ja kein besonderes Problem sein. …
Dass Elend, Leid, Armut, Einsamkeit, Hilflosigkeit und Schuld vor den Augen Gottes etwas ganz anderes bedeuten als im Urteil der Menschen, dass Gott sich gerade dorthin wendet, wo die Menschen sich abzuwenden pflegen, dass Christus im Stall geboren wurde, weil er sonst keinen Raum in der Herberge fand - das begreift ein Gefangener besser als ein anderer, und das ist für ihn eine wirklich frohe Botschaft.“
II
Liebe Gemeinde,
Hoffnung ist das Erste, nicht das Letzte. Im Gegenteil. Hoffnung ist die Vorwegnahme des künftigen Lebens schon jetzt. Ohne Hoffnung - kein Leben. Hoffnung ist Leben.
Wahre Hoffnung ist so zu leben, als wenn das zu Hoffende bereits eingetreten wäre. Als wenn das Erhoffte schon da wäre.
Bonhoeffer lebte aus dieser Hoffnung im Gefängnis. Er sehnte sich nach Freiheit. Fühlte sich aber selbst dort in Gott geborgen, denn er fand Sinn in seinem Einstehen für ihn, für Gott, trotz der Unzeit des Nationalsozialismus und eines brutalen Krieges. Im einsamen Kerker fand er Sinn in der Jahrhunderte alten Freude des Weihnachtsfestes für die Welt. Der Freude über die Geburt Jesu Christi. Der Geburt des Messias, des Retters, der in die Welt kommt – selbst im kalten Gefängnis, so ärmlich wie im Stall von Bethlehem.
Wahre Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat - egal, wie es ausgeht, sagte Václav Havel (1936 - 2011) einmal. Er war ein tschechischer Schriftsteller, Menschenrechtler und Politiker, gestorben 2011. Auch er war wegen seiner Überzeugungen im Gefängnis. Er wurde dreimal verhaftet und war insgesamt fünf Jahre eingekerkert, später aber sogar Staatspräsident und Wegbereiter der deutsch-tschechischen Aussöhnung.
Hoffnung ist eben nicht einfach billiger Optimismus, dass es schon von allein werden wird. Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat - ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.
Das Leben entsteht letztlich aus Hoffnung. Hoffnung macht verletzlich, aber trotz aller Verletzlichkeit führt die Hoffnung oftmals zu einer positiven Veränderung - zu gelingendem Leben. Hoffnung kann einen erstaunlichen Perspektivwechsel bewirken. Sie kann dazu beitragen das Leben mit anderen Augen zu sehen.
Trügerische und billige Hoffnung ist dagegen die Illusion, es möge lieber alles gleich bleiben. Die Illusion es möge unverändert sein. Damit geht aber viel lebendiges Wasser oftmals den Bach hinunter.
Gelingendes Leben braucht den Glauben, dass eine Veränderung überhaupt erreichbar ist. Das ist der Glaube an den rettenden Gott, den Christus. Er verändert, er macht möglich. Er kommt in die Welt. Er rettet. Jetzt erst recht!
III
Auch Paulus war voll dieser Hoffnung auf den rettenden Gott. Er wünschte sie herab vom Himmel, diese Hoffnung, für die ihm noch unbekannte Gemeinde in Rom. Wir haben es im Römerbrief gerade gehört. Sein Segenswunsch ist für mich wie ein adventliches Lied, als wären wir schon eins, in seinem göttlichen Frieden und seiner Freude - schon jetzt im Advent:
13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes. (Röm15,13)
Dabei gab es viel zu Streiten in der Gemeinde, damals schon. Paulus war zu Ohren gekommen: es herrschte Zwietracht in Rom. Eigentlich ist es aus heutiger Sicht fast egal, worum es dabei ging. Heutzutage eher eine Kleinigkeit. Die einen wollten die Speisegesetze nicht mehr einhalten. Die anderen schon. (Fast so kleinlich wie: Plätzchen schon vor dem 25. Dezember, oder so, Sie wissen schon!) Aber was daran für uns noch wichtig sein kann: Die einen hielten sich für etwas Besseres. Sie dünkten sich ihren christlichen Brüdern und Schwestern überlegen. Sie hielten sich fern von den Anderen. Sie seien die besseren Christen, die Starken. Die anderen aber nur die Schwachen. Die Gemeinde drohte deshalb auseinander zu brechen und gespalten zu werden.
Aber die Zuversicht und Hoffnung des Paulus für die Christenheit gründete in seinem Glauben auf das kommende Reich Gottes. Es werde ein Zeitalter der Gerechtigkeit, der Freude und des Friedens kommen. Auch wenn man es noch nicht überall sehen konnte. Es wird kommen. Für Paulus definiert sich in diesem Geiste ein gelingende Leben für die Christen immer in der Gemeinschaft. Das Glück des Einzelnen spielt dabei eher eine Nebenrolle. Was wirklich zählt, ist das Miteinander in Beziehung auf die neue Welt, die Paulus für angebrochen hält und deren Fülle er erwartet. Christliche Gerechtigkeit, Freude und Frieden gibt es nur in Gemeinschaft.
Wer die Schwachen dabei eigentlich sind, ist eher austauschbar, liebe Gemeinde. Im Gegenteil, die Starken und die Schwachen würden wir heute nach landläufiger Meinung wahrscheinlich genau andersherum wahrnehmen. Gemeinschaft bedeutet, dass die Starken – wer sie auch der jeweiligen Meinung nach immer sein sollten - auf die Schwachen Rücksicht nehmen. Nur so kann das Leben gelingen.
„Unterdrückt mir die Schwachen nicht, denn Gott leidet mit ihnen.“, scheint mir Paulus da zu sagen.
7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre.
Paulus will uns den Rat mitgeben, nicht wie eine „beleidigte Leberwurst“ zu sein: Zieht Euch nicht zurück in verschiedene Lager wegen Kleinigkeiten und bildet Grüppchen, sondern kommt zusammen zur Ehre Gottes. Ihr seid doch alle Christen - eine große Gemeinde. Wie wollt ihr denn die Stimme des Evangeliums hören, wenn ihr Euch immer weiter voneinander entfernt. Die Stimme des Evangeliums hat kein Megaphon zur Verstärkung. Sie ist eher leise. Es ist die zaghafte Stimme des göttlichen Kindes in der Krippe, aber sie gibt dem Kraft, der sie hört. Bleibt zusammen bei der Krippe. Dann könnt ihr sie hören.
Vielleicht hat Paulus auch mal bei sich im Geheimen ein Stoßgebet losgelassen als er an das Zusammenleben der Christen in seinen Gemeinden gedacht hat. „Amen, komm, Herr Jesus!“, (Off 22,20) „O komm, ach komm!“, sinngemäß so ein „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“ oder sogar etwas zorniger „O Heiland, reiß die Himmel auf“. Das könnte ich mir gut vorstellen. Denn er glaubte fest an die Kraft der Hoffnung, die aus dem Evangelium auf die Menschen einströmt und sie für ein gelingendes Leben durch den heiligen Geist stärkt. Er vertraute voll und ganz auf den Einzigen, der solches vollbringen kann:
„O Gott, ein Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland fließ,
Ihr Wolken brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.“
IV
Liebe Gemeinde,
die Hoffnung ist nicht das Letzte, sie ist das Erste. Aus ihr strömt gelingendes Leben wie im alten Adventslied von Friedrich Spee, gedichtet 1622, aber verwirklicht durch den Glauben und die Liebe - durch Gott.
„O Heiland, aus der Erden spring“. Lassen Sie uns die Hoffnung darauf wieder entdecken, jetzt vor Weihnachten.
Lassen Sie uns dem Herrn den Weg bereiten. Lassen Sie uns aus unseren Begrenzungen heraustreten. Lassen Sie uns das, was sein soll vorwegnehmen und so leben, wie wenn es schon da wäre. Lassen Sie uns zeichenhaft leben auf das hin, was wir hoffen. Lassen Sie uns wie die Propheten das benennen, auf was wir hoffen. Lassen Sie uns die Spaltungen zwischen unseren Brüdern und Schwestern ansprechen. Lassen Sie uns unterscheiden, was ein Zeichen einer vergehenden und ungerechten Welt ist und was ein Wehen des Geistes. Lassen Sie uns neue Dinge würdigen, von der Lehre aus der Geschichte auch mal Gutes erwarten, ohne das Schlechte zu vergessen. Lassen Sie uns sagen, was sein soll. Sei es schon verwirklicht oder auch noch nicht in der Welt.
Liebe Gemeinde, lassen Sie uns in Eintracht hinaushoffen über die Welt. Lassen Sie uns hinaushoffen über das, was ist. Denn nur der Glaubende hat hoffentlich Anteil an Gottes Gerechtigkeit, Freude und seinem Frieden - schon jetzt. Weil wir als Christen schon jetzt Hoffnung auf das Reich Gottes haben können, lassen Sie uns schon jetzt in die Richtung unserer Hoffnung gehen.
Das gebe uns der Gott der Hoffnung, der Gottseidank auch ein Gott des Trostes ist.
Denn Jesus spricht: „Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast.“ (Matthäus 8,13).
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.